Häufig gestellte Fragen

01. Was ist Fehlermanagement?

Der systematische Umgang mit Fehlern ("Fehlermanagement") ist Teil des Risikomanagements. Zum Fehlermanagement gehört das Erkennen und Nutzen von Fehlern und unerwünchten Ereignissen zur Einleitung von Verbesserungsprozessen in der Praxis (Gemeinsamer Bundesausschuss, 2016).

02. Was ist ein Berichts- und Lernsystem?

Ein Berichts- und Lernsystem ist ein Instrument des Risikomanagements. Ziel ist die Präventation von Fehlern und Schäden durch das Lernen aus kritischen Ereignissen, damit diese künftig von einem selbst und von anderen vermieden werden können. Die Berichte werden systematisch aufgearbeitet, Maßnahmen zur Prävention abgeleitet und deren Wirksamkeit im Rahmen des Risikomanagements evaluiert (Gemeinsamer Bundesausschuss, 2016).

Berichts- und Lernsysteme sind auch unter anderen Bezeichnungen bekannt, z.B. als CIRS (Critical Incident Reporting System) oder als Fehlermeldesysteme. Sie können papierbasiert oder elektronischaufgebaut sein. Die Auswertung kann durch eine/n Verantwortliche/n der Praxis erfolgen, sollte aber immer im Team besprochen werden.

 

03. Müssen wir in unserer Praxis ein Berichts- und Lernsystem haben?

Vertragsärzte und -psychotherapeuten sowie Vertragszahnärzte sind nach dem Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) verpflichtet, ein einrichtungsinternes Qualitätsmanagement einzuführen und weiterzuentwickeln. Die genauen Anforderungen dazu sind in der Qualitätsmanagement-Richtlinie des G-BA festgelegt. Danach müssen alle Einrichtungen ein Fehlermanagement als Teil des Risikomanagements umsetzen. Fehlermeldesysteme werden als ein Instrument des Fehlermanagements benannt.

04. Was ist der Nutzen von Berichts- und Lernsystemen?

Das Ziel von Berichts- und Lernsystemen ist es, aus Fehlern und Ereignissen zu lernen, diese zukünftig zu reduzieren und dadurch die Patientensicherheit zu verbessern. Berichts- und Lernsysteme tragen dazu bei, Ursachen des berichteten Ereignisses zu bestimmen. Durch die Erkenntnisse können  Maßnahmen abgeleitet und in die täglichen Arbeitsabläufe integriert werden. Werden die Erkenntnisse dann einrichtungsübergreifend geteilt, können auch andere aus den Ereignissen lernen und zwar bevor ihnen selbst etwas Ähnliches passiert („Frühwarnsystem“).

Weitere Ziele eines Berichts- und Lernsystems:

  • Bewusstsein für Risiken schärfen.
  • Sicherheitskultur in der Einrichtung weiterentwickeln.
  • Arbeitszufriedenheit und Motivation der Mitarbeitenden durch die aktive Beteiligung bei der Vermeidung von unerwünschten Ereignissen positiv beeinflussen.
  • Stärkung eines sachlichen Umgangs mit vermeintlich individuellen Fehlern von Mitarbeitenden.
05. Was sind die Grenzen?

Bei der Nutzung sind auch die Grenzen eines Berichts- und Lernsystems zu bedenken:

  • Berichts- und Lernsysteme haben für sich allein keinen Einfluss auf die Patientensicherheit. Nur wenn Berichte eingehen, die eine Basis für systemorientierte Verbesserungen ergeben, kann die Patientensicherheit erhöht werden.
  • Ein Berichts- und Lernsystem ist ein Instrument im Qualitäts- und Risikomanagement, zu dem auch z. B. Audits, Beschwerdemanagement und Peer-Review-Verfahren gehören.
  • Ein Berichts- und Lernsystem liefert keine repräsentativen Daten. Es lassen sich keine Rückschlüsse ziehen, wie viele unerwünschte Ereignisse in einer Einrichtung tatsächlich aufgetreten sind.

Ein Berichts- und Lernsystem ersetzt keine verpflichtenden Meldewege, wie z. B.

  • bei Schadensfällen an den Haftpflichtversicherer
  • bei Vorkommnissen mit Medizinprodukten an das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte https://www.bfarm.de/DE/Medizinprodukte/mpAkt/Meldeformular_Herst-Bevollm_Neu.html
  • bei unerwünschten Arzneimittelwirkungen (UAW) an die
    • Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft https://www.akdae.de/Arzneimittelsicherheit/UAW-Meldung/ oder an
    • die Arzneimittelkommission der deutschen Apothekerschaft https://www.abda.de/themen/arzneimittelsicherheit/amk/amk-berichtsboegen/
06. Wie zeitaufwändig ist das?

Ein Berichts- und Lernsystem ist erfolgreich, wenn alle in der Praxis mitmachen und wissen, worum es geht. Deswegen muss für die Einführung Zeit eingeplant werden, z.B. für Teambesprechungen und die konkrete Umsetzung. Der zeitliche Umfang ist u. a. vom aktuellen Kenntnisstand und wie gut das QM in der Praxis etabliert ist, abhängig. Langfristig wird sich der Einsatz auszahlen, denn optimierte Abläufe können die tägliche Arbeit erleichtern, die Motivation der Mitarbeitenden fördern und die Sicherheit Ihrer Patientinnen und Patienten stärken.

07. Was sollen wir berichten?

Berichtet werden sollen alle Ereignisse, die die Sicherheit von Patientinnen und Patienten gefährden.

Gemeint sind damit Ereignisse, die nicht beabsichtigt waren, die nicht erwartet wurden und die nicht wieder passieren sollen. Es können Zwischenfälle berichtet werden, die man selbst erlebt hat, die man beobachtet hat oder die einem berichtet wurden. Es stehen nicht ausschließlich Fehler im Vordergrund, sondern diejenigen Ereignisse, die bei der Patientenversorgung als Risiken erkannt werden. Um ein Ereignis zu berichten, muss kein Patientenschaden entstanden sein; kein Ereignis ist zu unwichtig oder zu schwerwiegend, um sich nicht damit zu befassen.

Beispiele für zu berichtende Ereignisse:

  • Unvollständige Dokumentation bei Überweisungen und Entlassungsbriefen
  • Inkorrekte Verordnung, Ausgabe oder Verabreichung von Medikamenten
  • Probleme bei der Anwendung von medizinischen Geräten
  • Fehlende Hilfsmittel
  • Verzögerte Behandlungen
  • Falsche Diagnosen

 

08. Wer soll berichten?

Jeder Hinweis von jedem ist wichtig, deshalb sollten alle Mitarbeitenden einbezogen werden – von der Reinigungskraft über die Auszubildenden bis zur Leitung.

09. Wie sollen wir berichten?

Die Einrichtung muss entscheiden, ob sie für das Berichts- und Lernsystem ein papiergestütztes oder elektronisches Format wählt. Eine papiergestützte Form erfordert ein geringes Investitionsvolumen und könnte am Anfang für Einrichtungen mit wenig Personal die geeignete Form sein. Eine elektronische Lösung hat die Vorteile, dass sie einen leichten Zugriff auf vergangene Ereignisse und Maßnahmen (wie in einer durchsuchbaren Datenbank) bietet und verschiedene Auswertungen der Informationen ermöglicht. Möglich ist auch eine Mischung aus beidem: Es wird ein papiergestützter Berichtsbogen verwendet, die nachträgliche Bearbeitung erfolgt elektronisch.

In jedem Fall sollte der Berichtsbogen anwenderfreundlich und für jeden leicht zugänglich sein. Datenfelder sollten genügend Platz bieten, um mit eigenen Worten beschreiben zu können, was passiert ist (siehe Beispiel von einem Berichtsformular unter Arbeitsmaterialien).

10. Wie können wir Mitarbeitende einbinden?

Für viele Mitarbeitende ist ein Berichts- und Lernsystem ein neues Instrument. Damit alle dafür ein gleiches Verständnis entwickeln und sich eingebunden fühlen, ist ein geplantes Vorgehen notwendig. Die Leitung ist verantwortlich dafür, dass das Berichts- und Lernsystem allen Mitarbeitenden vorgestellt wird, z. B. im Rahmen einer Teambesprechung. Dabei sollten zunächst die Ziele und Grundsätze vermittelt werden, gefolgt von den internen Umsetzungsplänen. Es ist sinnvoll, sich auch auf Widerstände („Wieso? Es läuft doch alles gut!“) vorzubereiten. Hier kann eine schrittweise Sensibilisierung anhand von Beispielen aus einem einrichtungsübergreifendem System hilfreich sein. Eine einmalige Einweisung reicht nicht aus, um die Nutzung des Berichts- und Lernsystems zu vermitteln. Mitarbeitende sollten Raum und Zeit haben, sich mit dem System vertraut zu machen.

11. Wie können wir Ereignisse mit betroffenen Patientinnen oder Angehörigen kommunizieren?

Viele Mitarbeitende im Gesundheitswesen sind unsicher, was sie nach einem unerwünschten Ereignis sagen dürfen. Viele befürchten, dass eine Mitleidsbekundung oder eine Entschuldigung den Verlust des Versicherungsschutzes bedeutet. Diese Befürchtungen sind rechtlich unbegründet. Ausdruck von Bedauern, wahrheitsgemäße Erklärungen über Tatsachen und Erläuterungen medizinischer Sachverhalte sind kein Anerkenntnis und führen nicht zum Verlust des Haftpflichtversicherungsschutzes. Eine offene, zeitgerechte und kontinuierliche Kommunikation mit Patienten und Angehörigen ist wichtig. Hilfestellung bietet die APS-Broschüre „Reden ist Gold“ und der APS-Patientenratgeber „Reden ist der beste Weg“.

12. Was ist CIRSforte?

CIRSforte ist ein Projekt für ambulante Praxen zur Fortentwicklung von Berichts- und Lernsystemen (Critical Incident Reporting System, kurz CIRS). Es wurde vom Innovationsfonds des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) für drei Jahre gefördert (April 2017 bis März 2020).

In CIRSforte hatten etwa 200 Praxen die Möglichkeit, sich bei der Einführung eines Berichts- und Lernsystems (CIRS) tatkräftig unterstützen zu lassen. In der praktischen Umsetzung bedeutete dies, entweder ein neues System in papier- oder elektronischer Form einzuführen oder den bisher vorhandenen Austausch systematischer anzugehen.

CIRSforte stellte dafür zahlreiche Unterstützungsmöglichkeiten zur Verfügung: Workshops, eine Handlungsempfehlung, Online-Schulungen, Arbeitsmaterialien und eine Telefon-Hotline halfen teilnehmenden Praxen dabei, kritische Ereignisse und Risiken in ihren Arbeitsabläufen zu identifizieren und als Anlass für Verbesserungen zu nutzen.

CIRSforte konnte zeigen, welche flankierenden Maß­nahmen zur Umsetzung von CIRS von Praxisteams akzeptiert und für hilfreich befunden werden. Im Laufe des Projektes hat sich das Wissen der Teilnehmenden über die Aufarbeitung von Fehlern mit Ableiten von präventiven Maßnahmen signifikant erhöht (p=0.000). Auch das Sicherheitsklima in den Praxen verbesserte sich signifikant (p=0.000). Zu Beginn der Studie verwendeten 45% der Praxen ein praxisin­ter­nes CIRS, am Ende waren es 91,3%. Digitale Maßnahmen wie E-Learning und webbasierte Seminare wurden sehr gut angenommen.

Die gewonnenen Erkenntnisse bieten eine wichtige Grundlage für die Weiterentwicklung der am­bulanten vertragsärztlichen Versorgung und geben konkrete Anregungen zur Ausge­staltung des gesetzlich geforderten Fehlermanagements. In einem White Paper sind sieben Empfehlungen aus CIRSforte zur Förderung von Fehlermanagement im ambulanten Bereich formuliert.